Die Ankündigung der ÖBB, das eigene Angebot auszuweiten und damit den Rückzug der DB teilweise aufzufangen, freut einen als Nachtzugfan natürlich. Auch wenn dabei wieder mal einige Verbindungen wegfallen werden. Aber die Töne aus Wien lassen hoffen, dass man um das Potenzial des Nachtreisens weiß und das Netz künftig noch ausbauen möchte. Wer schonmal selbst im österreichischen Schlaf- oder Liegewagen gefahren ist, schätzt den Service. Auf jeden Fall wird man sich nachts lieber in die Obhut unserer Nachbarn begeben, als im Bus oder hellerleuchteten ICE zu sitzen.
Es bleiben Fragen.
Wohl aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Verhandlungen sind noch wenige Details zu den künftigen Angeboten bekannt. Sie sollen wohl im September veröffentlicht und dann auch beworben werden. Bis dahin ist eine Reiseplanung z.B. für den Winterurlaub schwierig. Noch schwieriger dürfte aber die Situation für die Beschäftigten sein: Wer kann und will zu welchen Bedingungen übernommen werden? Es muss befürchtet werden, dass qualifiziertes und engagiertes Personal (und als solches habe ich bisher fast alle MitarbeiterInnen in Nachtzügen erlebt) sich nicht mit einer solchen unsicheren Zukunft abfindet und sich anderweitig umsieht.
Als Reisender könnte man bald vor neuen Problemen stehen: Wie werden die Züge in der Fahrplanauskunft gelistet? Kann die Nachtzugreise wie bisher (oder gar besser!) ins DB Tarifsystem (einschließlich Bahncard) integriert werden? Wo werden Fahrkarten erhältlich sein? Kann ein reibungsloser Betrieb ohne Verspätungen sichergestellt werden? Auch wenn theoretisch ein neutraler Zugang zum Schienennetz besteht: Werden die Nachtzüge (die ja schon bisher in den Morgenstunden mit dem Pendlerverkehr um Trassen konkurrieren) auf der Strecke wirklich diskriminierungsfrei behandelt? Welche Fahrzeugreserven kann die ÖBB realistischerweise vorhalten, würde im Störungsfall die DB unterstützen? Wie sieht das aus, wenn sie parallel mit ihren Nacht-ICEs auf Kundenfang geht?
Falls sich die erhoffte positive Entwicklung nicht (kurzfristig) einstellt – welchen Einfluss gäbe es dann von Fahrgastseite auf ein „fremdes“ Staatsunternehmen? Gegen die Abbaupläne der DB AG haben sich immerhin 35.000 Unterschriften gefunden, die Opposition hat das Thema wiederholt in den Bundestag gebracht. Würden sich auch die österreichischen Nationalräte für deutsche Kunden einsetzen?
Das Verkehrsmittel Bahn steht in Konkurrenz und Bus, Flugzeug und Pkw. Für den grenzüberschreitenden (Nacht-)Verkehr braucht es Kooperation statt noch zusätzlicher Konkurrenz zwischen den Bahngesellschaften. Welches Logo die Züge ziert, interessiert den Fahrgast im Allgemeinen wenig. Eine Partnerschaft von ÖBB und DB (und der SBB?) wäre aus den genannten Gründen sicher vorteilhafter. So könnte ein integriertes Angebot geschaffen werden, eine Art Neuauflage der Citynightline, die einst mit großen Versprechen – und Angeboten von denen man heute nur noch träumen kann – an den Start gegangen ist.
Die Initiative der ÖBB ist ein wichtiger Schritt, den Nachtzug zu bewahren und weiter zu entwickeln. Es ist damit aber noch lange nicht „alles gut“.
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