Die Zeiten der romantischen Nachtzugverkehre gibt es infolge der fortgeschrittenen Mobilität nicht mehr
Christian Martin, CDU Bundesgeschäftsstelle
Zum Abschluss der Serie zur Bundestagswahl erreichte mich am 23.09.2017 noch das folgende Schreiben der CDU Bundesgeschäftsstelle. Die Antwort verwirrt mich etwas – daher halte ich in diesem Fall ausnahmsweise eine Kommentierung für geboten:
Ihre Ausführungen zum Thema Schienenverkehr habe ich aufmerksam gelesen und ich danke Ihnen für die offenen und kritischen Worte. Rückmeldungen von Bürgerinnen und Bürgern sind für uns immer wieder außerordentlich wichtig und hilfreich. Meinungsäußerungen sind ein wichtiger Bestandteil des demokratischen Ringens um den besten Weg für unser Land und von daher auch dann immer willkommen, wenn sie Kritik und Ablehnung signalisieren. Eigentlich hatte ich ja Fragen gestellt.
Ihren Unmut über den derzeit defizitären Nachtzugverkehr kann ich gut nachvollziehen. Aufgrund dieser Problematik wird es eine Umgestaltung in diesem Segment geben müssen, woran die Deutsche Bahn AG bereits arbeitet. Eines steht fest: Eine völlige Abschaffung des Nachtzugverkehrs kann und soll es nicht geben. Genau das ist aber doch im Dezember 2016 geschehen!
Zu berücksichtigen ist aber zudem, dass die Deutsche Bahn AG keine Staatsbahn mehr ist und als Aktiengesellschaft die Aufgabe hat, den Fernverkehr eigenwirtschaftlich zu betreiben. Der Bund gewährleistet dies. Auf die Möglichkeit gemeinwirtschaftlicher Leistungen bezog sich u.a. eine der Fragen.
Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist zum Thema folgendes festgehalten worden: „Den Verkehrsträger Schiene wollen wir weiter stärken und ausbauen. Die Planung der Schienenwege werden wir am Ziel eines Deutschland-Takts mit bundesweit aufeinander abgestimmten Anschlüssen sowie leistungsfähigen Güterverkehrstrassen ausrichten. Wir bringen zeitnah Planungen auf den Weg, um durch gezielte Engpassbeseitigung die Kapazität des Schienengüterverkehrs deutlich zu erhöhen.“
Bereits im Jahr 2014 wurden Mittel des Bundes und der Europäischen Kommission für den Ausbau eines Transeuropäischen Verkehrsnetzes bewilligt. So wird die Schienenstrecke, die die Nordseehäfen Bremen, Hamburg und Rotterdam mit dem südpolnischen Raum verbindet, ausgebaut und voraussichtlich im Herbst 2017 fertiggestellt. Was hat das mit Nachtreisezügen zu tun?
Im Zuge des sich veränderten Reiseverhaltens der Menschen in den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Bahnwelt und die Kostenstruktur in ganz Europa ebenfalls verändert. Die Zeiten der romantischen Nachtzugverkehre gibt es infolge der fortgeschrittenen Mobilität nicht mehr. Heute setzen die Menschen auf Hochgeschwindigkeitsverbindungen, Flugverbindungen, Fernbusse, Mitfahrzentralen, und vor allem eigene Pkws. Nacht- oder Autoreisezüge gehören nicht mehr zu den Hauptverkehrsmitteln. Darauf reagiert die Deutsche Bahn natürlich. Sie wäre schlecht beraten, wenn sie nicht mit der Zeit gehen würde und Geld verbrennen würde, dass sie anderweitig erwirtschaften muss. Ist Reisen im Schlaf nicht gerade Ausweis von Mobilität? Die Züge waren ja voll. Und ist der Rückzug die einzig mögliche Reaktion?
Wenn im europäischen Verkehr die Gesamtkosten höher anfallen, wenn steigenden Betriebskosten stagnierende Einnahmen gegenüberstehen, wenn überalterte Schlafwagenwaggons verlustbringend repariert werden müssen oder wenn neu zu beschaffende Waggons abschreibungsbedingt zu höheren Kosten führen würden, dann müssen wir uns alle miteinander dieser Realität stellen. Das können wir nicht kleinreden. Auch die saisonale Häufung der Nachfrage bedingt geradezu, dass die Wirtschaftlichkeit schwieriger ist als bei anderen Angeboten. Vordergründig alles richtig. Natürlich setzen politische Entscheidungen die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftlichkeit. Auch drauf bezog sich eine Frage.
Mittlerweile haben sich die Fernbusnachtverbindungen als flexible und günstige Alternative zum Nachtzug entwickelt. Sie bilden nicht nur ein sehr dichtes Netz, sondern stellen mit ihren günstigen Preisen eine sehr gute Alternative für den Reisenden dar, die sich großer Beliebtheit erfreut. Kann man auch als Beleg ansehen, dass eine Nachfrage nach Nachtverbindungen da ist. Und eben häufig keine Alternative mehr besteht.
Nichtsdestotrotz beschäftigt sich die Deutsche Bahn derzeit intensiv mit diesem Thema. Diese wird den Markt nochmals prüfen und falls notwendig, ihre Entscheidungen korrigieren. Die DB beschäftigt sich eher gar nicht mehr mit dem Thema.
Sicher wird mein Schreiben nicht Ihren Unmut beheben. Es würde mich aber freuen, wenn es zum Austausch und zum Nachdenken anregt und Sie unsere Argumente in Ihre kritischen Überlegungen einfließen lassen würden. Ich überlege vor allem, warum hier nur mit (veralteten) Textbausteinen agiert wurde. Und ob das Thema in einer möglichen Jamaika-Koalition vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit finden kann.
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